Klinische Anwendbarkeit eines umfassenden Assessments in der Gerontopsychiatrie

Vanessa Stypa1, Irina Günter (geteilte Erstautorenschaft)1, Rieke Trumpf1,2, René Depiereux1, Tim Fleiner1,2,3, Peter Häussermann1,2

1Abteilung für Gerontopsychiatrie & Psychotherapie, LVR-Klinik Köln, Köln
2Institut für Bewegungs- und Sportgerontologie, Deutsche Sporthochschule Köln, Köln
3Institut für Geriatrische Forschung, Universitätsklinikum Ulm, Ulm

1. Zielsetzung/Fragestellung

Ein umfassendes Assessment zur multidimensionalen Behandlungsplanung wird in der Gerontopsychiatrie kaum angewendet, obwohl auch das gerontopsychiatrische Patient*innenklientel durch Multimorbidität gekennzeichnet ist. In Anlehnung an die S1-Leitlinie Geriatrisches Assessment der Stufe 2 wurde in der Abteilung für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie der LVR-Klinik Köln ein mehrdimensionales geriatrisch-gerontopsychiatrisches Assessment (GGA) von einem multiprofessionellen Projektteam entwickelt und klinikintern im Krankenhausinformationssystem digitalisiert.
Ziel dieser Studie war die Analyse der Anwendbarkeit des GGA in der gerontopsychiatrischen Akutversorgung in offenen und geschützten Stationssettings.


2. Materialien/Methoden

Die Analyse der Anwendbarkeit erfolgte basierend auf den Daten einer retrospektiven Erfassung der digitalen Dokumentation des GGA im Zeitraum vom 01.02. bis 01.04.2023. Das GGA besteht aus einem Aufnahme-Assessment (einmalige Durchführung von 18 Erhebungen zum Zeitpunkt der Aufnahme) und einem Entlass-Assessment (wiederholte Durchführung von 7 Erhebungen zum Zeitpunkt der Entlassung). Zur Beurteilung der Anwendbarkeit wurden das Aufnahme- und Entlass-Assessment auf Vollständigkeit geprüft. Des Weiteren wurden Unterschiede in der Vollständigkeit des GGA zwischen offenen und geschützten Settings sowie der Einfluss kognitiver Beeinträchtigungen (gemessen anhand des Mini-Mental-Status-Test (MMST)) der Patient*innen auf die Vollständigkeit des GGA untersucht.


3. Ergebnisse

GGA-Dokumentationen von insgesamt 131 Patient*innen wurden analysiert. Im Erfassungszeitraum wurden 66 Patient*innen in geschützte Stationssettings (Durchschnittsalter: 76 Jahre, 38 weiblich, MMST: M ± SD = 14,3 ± 9,4) und 65 Patient*innen in offene Stationssettings (Durchschnittsalter: 77 Jahre, 45 weiblich, MMST: M ± SD = 24,2 ± 11,9) aufgenommen. Die 131 Aufnahme-Assessments wiesen eine durchschnittliche Vollständigkeit von 70,4% pro Assessment auf (64,8% im geschützten Setting vs. 79,2% im offenen Setting). Zum Endzeitpunkt der Erhebung waren 71 der 131 Patient*innen (geschütztes Setting: n = 26, offenes Setting: n = 45) entlassen. Die Entlass-Assessments zeigten eine durchschnittliche Vollständigkeit von 64,8% pro Assessment (56,6% im geschützten Setting vs. 71,9% im offenen Setting). Eine weiterführende Analyse zum Einfluss der kognitiven Beeinträchtigung auf die Vollständigkeit des GGA anhand des MMST-Wertes wird im Poster adressiert.


4. Zusammenfassung

Die ersten Ergebnisse zeigen, dass das GGA sowohl auf den offenen als auch auf den geschützten gerontopsychiatrischen Stationen Anwendung findet, jedoch noch keine Vollständigkeit aufweist. Insbesondere im geschützten Setting lassen sich Schwierigkeiten bei der Umsetzung des GGA erkennen. In weiterführenden Untersuchungen sollte daher überprüft werden, welche Faktoren die Durchführbarkeit des GGA beeinflussen und ob eine Adaption der angewendeten Assessment-Instrumente notwendig ist, um einen gezielten Einsatz des GGA in der gerontopsychiatrischen Akutversorgung zu ermöglichen.

back/zurück

 

Impressum Datenschutzerklärung